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Mo

18

Sep

2017

Erfolg und Versagen

Wenn ich eine Geburt begleite, erlebe ich fast immer, dass die frisch gebackene Mama sich im Anschluss an die Geburt entschuldigt, für Ihr "Jammern", ihre "Lautstärke", ihre "Wehleidigkeit", ihre "Gereiztheit", ihre "Ungeduld"...

Es braucht immer eine Weile, sie davon zu überzeugen, dass sie großartig war! Dass es ihr zusteht, zu jammern, zu schreien, zu weinen, wenn der bis dahin nicht gekannte Schmerz einen überrollt und man sich komplett neu erlebt. Einer Urkraft ausgesetzt, die alles in den Schatten stellt, was man bisher erlebt hat. Die Besitz nimmt von unserem Körper und ihm alles abverlangt. 

Ich versuche bereits in der Vorbereitung zu ermutigen, Schmerz zuzulassen und ihm auch tönend Ausdruck zu verleihen. 
Stellt Euch einmal vor, Ihr rennt Euch einen Zeh oder ein Schienbein an. Läuft das leise ab? Nein, man flucht, man autscht, man tönt. Es ist nämlich wissenschaftlich bewiesen, dass Schmerz so viel besser erträglich ist. 
Meines Erachtens nach braucht man das "tönen" auch nicht üben, wie in vielen Kursen praktiziert. Ich behaupte mal, fast jeder bei spätestens 7 cm Muttermund Eröffnung tönt prima von alleine...;-)

Auch meine Wehen bis zur vollständigen Eröffnung des Muttermundes wurden von einem ausdauernden "Aaaaaaaaah" begleitet. Chris - mein Mann - behauptet gerne, ich hätte ihm währenddessen fast die Hand gebrochen.
Ich kann Euch versichern, er erfreut sich bester Gesundheit und die Hand ist tiptop! :-)


Schämt Euch nicht dafür, es hilft ungemein! 

Tut das, was Euch gut tut, weint, schimpft, tönt, was das Zeug hält. 

Jede Frau ist anders, hat ein anderes Schmerzempfinden, geht anders mit Schmerzen und Angst um und das ist auch vollkommen in Ordnung so. 

Wir Geburtsbegleiter sind dafür ausgebildet, Euch so zu nehmen und zu begleiten, wie Ihr seid. Euch auf Eurem Weg zu unterstützen. Der Partner oder eine Freundin, die Euch begleitet, wird dies genau so tun. 

Seid stolz auf Euch! Schaut auf das, was ihr geleistet habt. Ihr habt aus eigener Kraft ein Kind geboren und Leben geschenkt! 

Wenn ich zurück blicke auf meine eigenen Geburten bin ich wahnsinnig stolz auf mich  und finde, dass ich eine absolut coole Socke war! :-) 

Ich liebe dieses Zitat von Sheila Kitzinger, welches es für mich perfekt auf den Punkt bringt: 

 

 

‎"Bei der Geburt gibt es keinen Erfolg und kein Versagen,
es gibt nur eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt."
- Sheila Kitzinger -





Anbei eine Slideshow einer Geburt, die ich vor fast einem Jahr sowohl als Doula, als auch als Geburtsfotografin begleitet habe...

Fr

13

Jan

2017

Die Phasen der Geburt und wie sie sich anfühlen...

Das Thema in der Geburtsvorbereitung, welches wohl mit die größte Aufmerksamkeit auf sich lenkt. 

Was erwartet mich, wie fühlt es sich an, welche Phase ist am schmerzhaftesten...

Gerne fasse ich das einmal für Euch zusammen.

 

 

Die Eröffnungsphase

Die Eröffnungsphase ist die längste der Geburtsphasen. Ich mag hier keine Zeitangaben machen, weil ich finde, die Länge des Verlaufs variiert so sehr, dass Richtwerte hier nicht wirklich hilfreich sind. Meine Faustregel lautet: „Es dauert so lange, wie es dauert.“ Diese Phase endet mit dem vollständig geöffneten Muttermund von ca. 10 cm. Das Schmerzempfinden ist sehr individuell. Jede Frau geht deswegen auch anders mit den Schmerzen um. Wichtig ist nun, die Wehen mittels der "Tiefen Bauchatmung" zu veratmen. Dies fördert die allgemeine Entspannung und kommt wiederum der Öffnung des Muttermundes zugute. 

Durch das Öffnen des Muttermundes tritt das Köpfchen des Babys tiefer und kommt dem Beckenausgang immer näher. Die Fruchtblase wölbt sich vor.

 

Meistens kommt es in der Eröffnungsphase zum Blasensprung. Beim Blasensprung unterscheidet man zwischen dem vorzeitigen (Blase springt vor dem Wehenbeginn), dem frühzeitigen (Blase springt während der Eröffnungsphase) und dem rechtzeitigen (Blase springt bei vollständig geöffnetem Muttermund) Blasensprung. Wenn die Fruchtblase einmal offen ist, sollte das Baby innerhalb von 24 Stunden geboren werden, damit keine Keime in die Gebärmutter eindringen und dem Kind schaden können.

 

Da die Eröffnungsphase wirklich die längste aller drei Geburtsphasen ist, tut der werdenden Mama alles gut, was entspannend ist. Der Partner kann z.B. den Rücken, die Beine und den Bauch massieren. Es werden zudem homöopathische Globuli angeboten. Bachblüten, Aromatherapien und Musik, ein Entspannungsbad oder aufrechte Positionen sitzend auf dem Pezziball, hängend an der Sprossenwand, an einem Tuch oder Seil, können  zur Entspannung beitragen und sind förderlich für den Geburtsfortschritt. Gegen die Schmerzen wird Akupunktur sehr gerne eingesetzt, aber auch herkömmliche Anästhetika, wie Zäpfchen oder schmerzstillende Infusionen, bis hin zur PDA (Periduralanästhesie) kommen zur Anwendung, wenn die Schmerzen zu unerträglich werden.

 

Nutzt die Wehenpausen, um zu entspannen, lehnt Euch zurück, schließt die Augen und versucht Kiefer- und Schultermuskulatur zu lockern. Gelingt das, kann sich der Muttermund schneller öffnen.

Die Übergangsphase

 

Nach der Eröffnungsphase schließt sich nahtlos die sogenannte Übergangsphase an. Ich nenne Sie auch gerne die "Ich weiß jetzt wie Geburt geht, jetzt will ich wieder nach Hause" oder "Bekomme das  Kind alleine" oder auch "Es gibt auf keinen Fall ein zweites Kind" Phase.  

 Dies sind so die häufigsten Aussagen, die man in diesem Zeitraum der Geburt von den werdenden Müttern zu hören bekommt.

 

Die Kontraktionen in dieser Phase der Geburt werden sehr viel intensiver und schmerzhafter, sie dauern länger an, die Pausen zwischen den Wehen werden sehr viel kürzer. Es ist die Phase, die einer werdenden Mutter alles abverlangt. Sie muss an Grenzen gehen und manchmal darüber hinaus. 

 

Das Gute ist, diese Phase geht vorüber und bringt Euch Eurem Baby ganz nah. Seid unbesorgt, Euer Körper ist dazu geschaffen, auch diese Phase der Geburt zu meistern. Vertraut, lasst Euch darauf ein. Auch diese Phase geht vorüber und das Finale ist nah.

 

 

Die Austreibungsphase

 

 Schon seit ich das erste Mal diesen Begriff gehört hatte, lehnte ich ihn ab. Die dritte Phase der Geburt - AUSTREIBUNGSPHASE -

Ich bitte Euch, was ist denn das für ein Unwort? Erinnert mich stets an Exorzismus.

Ich finde FINALE viel schöner!

Klingt viel besser. Findet Ihr nicht auch?

Nun, aber was bedeutet das eigentlich?

 

Gegen Ende der Übergangsphase ist der Muttermund ganz eröffnet. Das erste Anzeichen dafür ist meist ein beinahe unwiderstehlicher Drang zu pressen. Dann sollte der Muttermund auf vollständige Weite überprüft werden. Erst wenn er ganz eröffnet ist, darf die Frau diesem Impuls nachgeben. 

 

Sobald der Kopf durch den äußeren Muttermund tritt, beginnt dieses Finale. Diese Phase dauert normalerweise bei Erstgebärenden durchschnittlich eine Stunde, bei nachfolgenden Schwangerschaften nicht mehr als 20 Minuten. 

 

Die Finalwehen werden vom Druck des tiefer tretenden Kopfes auf den mütterlichen Beckenboden ausgelöst. Die Gebärende muss nun behutsam und stetig pressen, damit alle Muskelbewegungen geschmeidig und langsam erfolgen. Auf diese Weise haben die Muskeln und das Gewebe von Scheide und Damm Zeit, sich zu dehnen und Platz für den Kopf des Babys zu schaffen. 

 

Nach jeder Presswehe sind zwei tiefe Atemzüge, die das Ausatmen betonen, zum Entspannen sehr hilfreich. Die Lockerung der Muskulatur sollte jedoch nicht zu schnell erfolgen, da das Kind bei langsamem Loslassen seinen Weg stetiger fortsetzen kann.

Das Vorwölben von Anus und Damm ist das erste Zeichen dafür, dass das Baby jetzt kommt. Mit jeder Wehe erscheint ein bisschen mehr vom kleinen Kopf in der Scheidenöffnung, bis er dann gar nicht mehr zurückgleitet. 

 

Die Mutter verspürt in diesem Moment meist ein Brennen oder Stechen. Sie sollte dann sofort versuchen, mit dem Pressen aufzuhören und hechelnd weiter zu atmen, denn die Gebärmutterkontraktionen treiben das Kind von allein heraus.  

 

Nach der Geburt des Kopfes, wird zuerst die eine Schulter und dann die andere geboren und schließlich der restliche Körper Eures Babys. Geschafft!

 

 

Die Nachgeburtsphase

 

Einige Minuten nach der Geburt des Babys verspürt man erneut Kontraktionen. Diese Kontraktionen in der Nachgeburtsphase  lösen die Plazenta von der Gebärmutterwand. Mit meist nur einem kurzen Drücken wird mit einer letzten leichten Wehe die Plazenta geboren. Dies ist schmerzfrei.

 

Zum Abschluss dieser Phase wird die Plazenta auf Vollständigkeit oder Unregelmäßigkeiten untersucht. Auch werden eventuelle Geburtsverletzungen wie Scheidenriss, Dammriss etc. unter lokaler Betäubung versorgt. 

Im Anschluss bitte nur eines....kuscheln und bonden, was das Zeug hält! 

Habt keine Angst vor all dem, Euer Körper ist dazu gemacht, Babies zu bekommen und wird Euch das nötige Rüstzeug mit auf den Weg geben! 

Ich wünsche ein wundervolles Geburtserlebnis! 

Herzlichst,
Eure Silke 

 

Eröffnungsphase

Übergangsphase

Austreibungsphase

Nachgeburtsphase

Geschafft! ♥ 

Fotos: Silke Schmitz - www.silkeandchrisphotography.de

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Do

20

Okt

2016

Über die Zeit während einer Geburt...

In meinen Geburtsvorbereitungskursen frage ich die werdenden Eltern immer, was sie sich von der Geburt erwünschen, wovor sie Angst haben, was sie gerne ausschliessen würden...

Die häufigste Antwort, was sie sich erwünschen und erhoffen hinsichtlich der Geburt, ist jene, dass es nicht so lange dauern möge, dass die Geburt schnell vorüber ist. 

Gerne greife ich diese Antwort dann auf und versuche zu vermitteln, dass Zeit kein wirklich wichtiger Faktor ist. 

Ab wann beginnt denn eine Geburt? Das wird unterschiedlich wahr genommen. Für die Einen beginnt sie ab dem Moment, wenn die Kontraktionen einsetzen, für Andere beginnt sie, wenn die Kontraktionen schmerzhaft werden, man sie veratmen muss, wieder Andere beschreiben den Geburtsbeginn ab dem Zeitpunkt, ab dem sie in  der Klinik ankamen....man sieht deutlich, bereits da ist die Frage nach der Zeit, nach der Dauer einer Geburt schon wirklich schwierig zu beantworten. 

Wenn ich auf die Geburten meiner beiden Kinder zurückblicke, kann ich sagen, dass ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Zeit gar nicht wichtig war. Neugierig war ich, das schon...ich wollte sie endlich in meinen Armen halten,  wissen, wie sie ausschauen, sie erspüren, sie liebkosen, an ihnen schnuppern, ihnen begegnen, ihre Mama sein! Aber wann genau das in diesem Prozess der Geburt sein würde, das war es nicht, was mich beschäftigt hat. Ich habe nicht nach der Uhr gesehen. Gar nicht. 

Gerät die Gebärende in einen Zeitdruck, verursacht durch was auch immer, kann der Geburtsfluss gefährdet sein und ich sehe bereits in der Geburtsvorbereitung meine Aufgabe darin zu vermitteln und zu bestärken, dass die Zeitdauer nicht wirklich von Bedeutung während der Geburt ist, solange es Kind und Mutter gut geht. Geburt dauert eben so lange, wie sie dauert, man sollte sich einfach keine weitern Termine auf diesen Tag legen ;-)  und man darf und kann darauf vertrauen, dass der richtige Zeitpunkt kommen wird, indem das Baby geboren werden wird.

Auch in meiner Arbeit als Doula, wenn ich eine Geburt begleite, nehme ich die Zeit selten wahr, lasse mich ein dem Geburtsfluss zu folgen und bin manchmal darüber erstaunt, welchen Zeitraum die Geburt dann schlussendlich eingenommen hat ohne dass ich es so empfunden habe. 

Dann, wenn es geschafft ist, das Baby in den Armen seiner Eltern liegt, ist Zeit ebenso wenig von Bedeutung. Einen Moment scheint es so, als würde die Welt innehalten...♥ 

Herzlichst, 
Eure Silke 

 

Fotos:   https://www.silkeandchrisphotography.de

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Mi

15

Jun

2016

Über den Geburtsschmerz

Immer wieder tauchen diese extrem erschreckenden Videos auf, in denen der Geburtsschmerz mit heftigen Vergleichen umschrieben wird....20 Knochenbrüche, Verbrennungen etc.

Aktuell gibt es zur Zeit einen Beitrag der Zeitschrift "Bunte". Dieses postete heute auch eine liebe Kollegin in der GfG Mitgliedergruppe und wir empfanden dies alle als kritisch. 

Gemeint wohl als Hoch auf alle Mütter verbreitet es aber mehr Angst und Schrecken. 

Ich werde da auch gerne einmal deutlich...ich werde ungeheuer wütend, wenn ich so etwas sehe und lese.

Und ja, ich kann mitreden. Ich habe 2 Kinder spontan ohne Schmerzmittel oder PDA geboren. Und das nicht, weil ich Heldin spielen wollte, sondern weil es für mich so gepasst hat. 

Jede Woche habe ich junge werdende Eltern vor mir sitzen, die natürlich auch ihre Angst vor dem Geburtsschmerz mitbringen. Wie soll ich diese motivieren, wenn sie durch solch unnütze Beiträge noch mehr Ängste entwickeln. 

Ich möchte auch ganz sicher nicht die Leistung der Gebärenden schmälern, ganz im Gegenteil, sie leisten Großartiges.

Auch würde ich den Geburtsschmerz niemals bagatellisieren, denn er ist ja vorhanden und auch ich habe ihn als ganz neue Dimension eines Schmerzes wahr genommen.
Wobei ich ihn niemals nur auf Schmerz reduzieren würde. Er ist kraftvoll, mitreißend, ich vergleiche ihn auch gerne mit einer Urgewalt. Aber eben durchaus auch positiv. 

Geburt ist so viel mehr als Schmerz und wenn man es schafft, dem Körper, der Kraft der Natur zu vertrauen, kann es einen auch unheimlich und positiv prägen. 

Ich weiß, das klingt sehr pathetisch und nein, dass ist eigentlich nicht mein Ding. Aber in Bezug auf Schwangerschaft und Geburt kommt es schon einmal vor...:-)


Perfekt in Worte gefasst hat es für mich  Frédérick Leboyer:

"Wenn du wirklich begriffen hast was das ist Loslassen,

Hingabe,

wenn alles in deinem Körper offen, frei und entspannt ist,auch der Mund, der Hals, die Hände, die Augen,

dann brauchst du im Grunde nichts mehr zu tun.

Es ist wie in der Liebe:

Öffne dich und lass es geschehen.

Lass das Kind zur Welt kommen.

Es genügt schon, dass du ihm nichts entgegen setzt,

dass du dich nicht fürchtest, dich nicht verwirren lässt

von der Kraft, der ungeheuren Gewalt,

mit der das Kind geboren werden will.

Es ist dein höchstes Opfer, 

dein vollkommener Verzicht.

Etwas in dir muss dem Kind sagen können:

Ja, verlass mich. Gehe aus mir heraus.

Da ist das Leben. Vor dir.

Nimm es"
 


In meinem Buch "Geburtsvorbereitungskurs & Poesie" habe ich im letzten Kapitel beschrieben, wie ich die Geburt meiner Kinder erlebt habe und auch mein Mann hat einige Zeilen dazu geschrieben. Für all jene, die es interessiert, gerne hier noch einmal...

 

 

Meine ganz persönlichen Gedanken zur Geburt

 

 

Ich bin fast am Ende, aber nun, nachdem wir vielleicht die ein oder andere Stunde zusammen verbracht haben, möchte ich Euch noch gerne meine ganz persönlichen Gefühle zum Thema Geburt mit auf den Weg geben…

 

Vom Beginn der Geburt, dem ersten Ziehen im Bauch, einem Blasensprung oder auch nur der Ahnung, dass man sein Baby in den nächsten Stunden in den Armen halten wird, verändert sich etwas bei der Gebärenden. Ich erinnere mich gut daran, wie es bei mir war. Ich war in diesen Stunden der Wehen ganz bei mir. So wie noch nie zuvor in meinem Leben. Mein Körper und ich arbeiteten zusammen, wir fanden einen gemeinsamen Rhythmus und konnten uns aufeinander verlassen. Sicher, als es losging, verspürte ich auch Angst. Angst vor Schmerz, Angst ob alles gut gehen würde, Angst, dass ich es aus irgendwelchen Gründen nicht schaffen könnte und gleichzeitig war da eine so unerschütterliche Ruhe in mir.

Ich nahm jede Wehe an und verschmolz mit ihr. Sie trug mich mit sich, wie eine Welle und jede Wehe, die ich bezwungen hatte, brachte mich meinem Kind ein kleines Stück näher. Ich hatte in jener Zeit jegliches Zeitgefühl verloren, die Uhrzeit, war vollkommen unwichtig geworden. Es gibt Momente, an die ich mich so gut wie gar nicht mehr erinnere. Die lasse ich mir dann immer von meinem Mann erzählen. Andere Momente wiederum sehe ich glasklar vor mir, als hätte ich sie gerade erst erlebt. Ich kann noch nicht einmal sagen, dass es die entscheidenden Momente waren, die mir so präsent sind, ich nehme es vielmehr als eine Art Collage des Ereignisses Geburt war. Oder ein Trailer meines ganz persönlichen „Geburtsfilms“ , der als Film nur in den Herzen aller Beteiligten existiert.

Ich erinnere mich an lustige, schmerzhafte, sehr innige Momente aber auch an jene, die mir alles abverlangten. Ängste, mit denen ich umgehen musste, Grenzen, die ich erreichte und die ich überwand.

Auch Gerüche habe ich noch in Erinnerung, wie z.B. das Waschmittel roch, mit dem die Bettwäsche im Kreißsaal gewaschen war. Ein leichter, aber nicht unangenehmer Geruch von Desinfektionsmittel, eine Mischung diverser ätherischer Öle. Ich weiß auch noch, wie die Hand meines Mannes roch, in die ich immer wieder mein Gesicht grub. Sie roch so vertraut und löste in mir ein Gefühl von größter Geborgenheit,Verbundenheit und grenzenlosem Vertrauen aus.

 

Ich hatte die Gewissheit, dass er schon auf mich aufpassen würde. Das gab mir Kraft. Und dennoch in der Wehe selbst war ich nur mit mir alleine. Ich arbeitete und gab mich hin. Diesen Prozess erlebte ich fast wie einen Rausch.

Die Geburten meiner beiden Kinder hatten jeweils eine ganz eigene Atmosphäre. Mein Sohn wurde morgens geboren, an einem Spätsommertag, und es regnete in Strömen. Der Regen rann am Kreißsaalfenster herab und ich fand es gemütlich, perfekt zum Gebären.

Meine Tochter wurde in einer sternenklaren Frühlingsnacht geboren und ich genoss die Stille der Nacht, die uns umgab.

 

Ich werde niemals in meinem Leben vergessen, als nicht nur meine Kinder geboren wurden, sondern gleichzeitig auch eine Mutter für diese Kinder. Dieser überwältigende Moment, in dem man das erste Mal sein Kind im Arm hält, dieses knautschige, froschartige, ganz frische und einzigartige Wesen, welches man aus eigenen Kräften zur Welt gebracht hat. Der Geruch, so süß, so salzig, so voller Liebe, so neu, ich finde neugeborene Babies riechen nach Meer.

 

Das Gefühl mein Kind das erste Mal auf das noch nasse Köpfchen zu küssen, die kleinen Fingerchen in meinen Fingern zu halten, die kleinen Zehen, der winzige Po, die pfirsichzarte Haut, das Stupsnäschen, die großen Augen, die mich so durchdringend ansahen, dass ich das Gefühl hatte, mein Herz müsse auf der Stelle still stehen.

Nein, niemals würde ich dieses, mein Kind noch einmal wieder her geben. Und mit einem Mal trug ich eine Verantwortung auf meinen Schultern, die wohl mein Leben lang präsent sein wird.

Ich hielt es im Arm und in diesem Moment wurde mir das Geheimnis des Lebens offenbar. Das war es, der Sinn meines Lebens.

Ich legte mein Baby an die Brust und es nuckelte und trank, als hätte es nie etwas anderes getan. Es wurde satt, weil ich es nähren konnte. Ein unbeschreibliches Gefühl.

Ich wusste, ich würde mein Kind mein Leben lang beschützen wollen.

Noch etwas wurde in diesen Tagen geboren. Eine Frau mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein.

 

Ich erlebte mein „Frau sein“ nun noch einmal ganz anders und ich kann nicht sagen, dass ich vorher nicht selbstbewusst war oder mich wohl gefühlt hatte in meinem Körper. Ganz im Gegenteil. Aber nun kam eine weitere Komponente dazu. Ich hatte mit meinem Körper Leben geschenkt, ich hatte Großartiges geleistet und geschafft. Das wiederum erfüllte mich mit einer nie gekannten Kraft und der Gewissheit, dass mich diese Kraft nie wieder los lassen würde.

Ich liebe es mit meinem Mann beide Geburten Revue passieren zu lassen. Wenn ich ihn frage, wie er diese Stunden erlebt hat, wie er mich als Gebärende erlebt hat und wie letztendlich sein „Vater sein“ geboren wurde, hat er folgendes zu berichten:

Ich kann mich an viele bewegende Momente während der Geburten erinnern. Ich fühlte mich gefordert, aber nicht überfordert. Ich wollte für meine Frau da sein, ohne sie in ihrem Weg zur Geburt einzuschränken. Mal war ich der Arm, in den sie sich bei den Höhepunkten der Wehen krallte, mal derjenige, der sie an das geübte Atmen erinnerte. Den Moment der Geburt erlebte ich jedes Mal als ein kleines Wunder. Dass meine Frau das so toll und ruhig hinbekommen hatte, beeindruckte mich sehr. Das Durchschneiden der Nabelschnur war ein seltsames Gefühl. Bei unserem Sohn, welcher unser erstes Kind war, war ich noch sehr unsicher, hatte Respekt das kleine Bündel, das ich mit waschen durfte, auf den Arm zu nehmen, vor lauter Angst es fallen zu lassen. Bei unserer Tochter, die als zweites kam, war schon mehr Übung da. Ich habe es sehr genossen, in die großen Augen meiner Kinder zu schauen und sie im Arm zu wiegen. Unvergesslich auch der Anblick meiner Frau, die mir in diesem Moment so leuchtend und glücklich vorkam, wie noch nie. Unglaublich, nach den Schmerzen, die sie doch wenige Minuten zuvor noch hatte. Emotional waren die Geburten sehr erschöpfend, obwohl sie beide vergleichsweise kurz waren. Ich kann mich erinnern, dass ich beim ersten Kind abends nach Hause ging und dann kaum durch die Haustür gegangen wie erschlagen einschlief. Gleichzeitig brachten die vollbrachten Geburten aber ein großes Gefühl der Ruhe mit sich. Es war wie eine Unterbrechung des immer hektischen Lebens. Bei beiden Kindern waren die Tage, an denen wir aus der Klinik nach Hause kamen, die ruhigsten und entspanntesten Tage meines Lebens. Nichts störte unsere kleine Familie, Prioritäten hatten sich verschoben, Alltagsthemen waren in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Diese erste gemeinsame Zeit ist im Rückblick unvergesslich.

Als ich meinen Mann um oben geschriebene Zeilen bat und sie mir durchlas, fiel mir auf, dass uns eine Sache wohl beiden sehr wichtig war. Die erste Zeit als Familie.

Eine wundervolle Zeit und so unglaublich wichtig und unwiderbringlich. Nutzt es, genießt es in vollen Zügen.

Wenn Ihr nun den Eindruck gewonnen haben, dass die Geburten unserer Kinder für mich unglaubliche, wunderschöne und faszinierende Erlebnisse waren, bei denen ich jede Minute trotz der Schmerzen genießen konnte, dann kann ich Euch versichern, dass es ganz genau so war. Und dennoch möchte ich betonen, dass das meine ganz persönliche Erfahrung, meine ganz individuelle Wahrnehmung ist. Jede Geburt ist anders und jede Frau ist anders. Jede nimmt sie anders für sich wahr, schreibt ihre ganz eigene Geburtsgeschichte. Was mir bleibt, ist Euch von ganzem Herzen zu wünschen, ein wunderschönes und für Euch stimmiges Geburtserlebnis zu haben.

 

Auszug "Geburtsvorbereitungskurs & Poesie" v. Silke Schmitz


Lasst Euch nicht von solchen seltsamen Videos oder Botschaften verunsichern. Ich seid kräftig, Ihr könnt gebären (egal in welchem Geburtsmodus) und Geburt ist so viel mehr als nur Schmerz! 

Herzlichst, Silke 

 

Fotos:  https://www.silkeandchrisphotography.de

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Sa

16

Apr

2016

Geborgen im Krankenhaus entbinden - solange es noch Geburtssstationen gibt...

 

Schon lange wollte ich diesen Blogeintrag schreiben, schon lange habe ich ihn in Gedanken formuliert. Entschuldigt, wenn ich bislang nicht die Zeit fand, ihn aufzuschreiben. Heute möchte ich mir die Zeit dazu nehmen, da es mir wichtig ist! 

Ich habe das Glück, dass ich als Geprüfte Geburtsvorbereiterin und Doula in einem Krankenhaus in Mainz arbeiten darf und da ich dies freiberuflich tue, darf ich - so denke ich - auch gerne etwas Werbung machen. Es handelt sich in meinem Fall um das Katholische Klinikum Mainz - kkm. 

Ich hänge an diesem Haus, sicher auch, weil ich selbst dort meine beiden Kinder mit der wundervollen Unterstützung von noch wundervolleren Hebammen zur Welt bringen durfte und ein für mich rundum schönes Geburtserlebnis hatte. Auch meine Berufspraktika für meine Ausbildung durfte ich dort absolvieren und ich konnte vieles für mich mitnehmen und lernen. 

Seit 2002 bin ich mit meiner Ausbildung fertig, seit 2006 arbeite ich freiberuflich für das kkm. 

Selbstverständlich habe ich als Freiberuflerin auch schon Geburten in anderen Häusern und auch zuhause begleitet. 
Ich lese in letzter Zeit immer wieder, dass Krankenhaus Geburten anonym und steril seien, wenig persönlich, Hausgeburten werden als "einzig wahre Geburtsstätten" genannt, es sei denn, die Frau benötige aus medizinischen Gründen die Klinik. 

Und genau hier setze ich an. Hausgeburten sind ohne Zweifel schön, das habe auch ich so empfunden, aber nicht zwangsläufig schöner, anders eben. 

 

 

Vor kurzem habe ich eine Geburt begleitet mit einer ganz besonderen Vorgeschichte. Ich habe diese Familie vom Anfang der Schwangerschaft bis zur Geburt begleitet, die junge Mama, eine Zweitgebärende hatte eine Angststörung und eine Depression entwickelt. 

 

Bei der ersten Geburt in einem anderen Haus hatte sie sich überhaupt nicht aufgehoben gefühlt. 

Ich habe sie ermuntert, es doch einmal im kkm zu versuchen und bereits bei der Anmeldung zur Geburt hat sie sich wohl und ernst genommen gefühlt. 
Bei der Geburt selbst sprach die Hebamme die Problematik sofort an und versprach ihr, dass wir alle gemeinsam gut auf sie aufpassen würden. Genau so war es auch! 

Als ich vor 2 Tagen mit dieser Familie telefonierte, bedankte sich die Mama noch einmal bei mir und versicherte mir, wie gut es ihr tat, dass ich für sie da war und dass es die richtige Entscheidung war, dass sie in diesem Haus entbunden hat. Sie bekommt wahrscheinlich kein weiteres Kind, aber sie ist versöhnt mit dem Geburtserlebnis, ihre Worte: "So geht es also auch..." 

Der Familie geht es sehr gut und ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr ich mich darüber freue! 


Viele Frauen und eben auch viele Partner, fühlen sich einfach sicherer in einer Klinik, können sich eventuell auch nicht vorstellen, sich in ihrer häuslichen Umgebung komplett fallen zu lassen, denn viele Geburten verlaufen ja nicht wirklich leise, sie schätzen die PDA als "Rettungsanker", auf die sie im Notfall zurück greifen können. 


Und ich finde, dies ist auch vollkommen in Ordnung so! Das soll im Umkehrschluss nicht heißen, dass ich Hausgeburten nicht gut oder schön finde, sondern eben nur, dass ein Geburtserlebnis nicht zwangsläufig etwas mit dem Geburtsort zu tun haben muss. Ob ich es für mich als stimmig empfinde, entscheidet doch nur, wie aufgehoben ich mich fühle, wo ich am besten los lassen kann, das ist das entscheidende bei einer Geburt. 

Ich fühlte mich als Gebärende stets aufgehoben, sicher, fürsorglich und sehr persönlich betreut. 

Und wenn ich heute Geburten in der gleichen Klinik begleite, nehme ich das nicht anders wahr, obgleich meine eigenen Geburten schon fast 21 und 18 Jahre her sind. 

Auch richtet sich ein Dankeschön von mir an die großartigen Hebammen, die mir auch als Doula und/oder Geburtsfotografin hier bislang immer das Gefühl gegeben haben, willkommen zu sein. Dies ist - wie ich von Kolleginnen weiß - nicht immer der Fall. 

Trotz regem Betrieb im Kreißsaal erlebe ich hier immer , dass sie der Frau und auch dem Partner in großer Ruhe zugewandt sind und die Frau mit großer Achtung und Wertschätzung begleitet wird. 

Natürlich kann es keine 1:1 Betreuung geben, aber die Hebamme ist immer in Rufnähe und für ihre Frau da.

Eine weitere  Möglichkeit ist es eben eine Begleitung und Präsenz durch weitere Personen, wie Partner, Schwester, Freundin oder eben auch uns Doulas zu gewährleisten.  Wie es eben ganz individuell für jeden passt.

Wir Doulas sind dafür ausgebildet,  der Frau und auch dem Partner durch unsere ununterbrochene Anwesenheit emotionale und auch physische Unterstützung (Massagen, Rebozo...) während der Geburt zu geben. 
Wir können die Hebamme in keinem Fall ersetzen, sie aber prima ergänzen. 

Das Wichtigste scheint mir aber, dass die Frau zusätzlich zur Hebamme eine Person an der Seite hat, die es einfach mit "aushalten" kann und ihr das Gefühl vermittelt, auf sie aufzupassen. Dies kann auch eine geeignete Person aus dem persönlichen Umfeld sein und muss nicht zwangsläufig eine professionelle Doula sein.


Nun aber zurück zu der "unpersönlichen" Seite der Geburtsklinik...gerade Gesten seitens der Hebamme,wie das mütterliche Kümmern und bei Bedarf auch einmal in den Arm nehmen, das Verbreiten von guter Laune und Zuversicht, das fürsorgliche Kaffee reichen für den Partner und auch für die Doula! ;-) , das Vermitteln des Gefühls, dass Geburt hier eben "einfach" in Ordnung geht, genau das sind die Dinge, die ich in diesem Haus bei jeder Geburt erlebe und schätze.  Und ich denke nicht, dass es das einzige Krankenhaus ist, bei dem es im Kreißsaal genau so abläuft. 

Wenn dann am Ende einer Geburt die Hebamme zu mir sagt: "Es ist so schön, dass Du auch da warst" , die frisch gebackenen Eltern ihr neugeborenes Kind in den Armen halten, dieses friedlich, rosig, liebevoll versorgt  nuckelnd die erste Mamamilch trinkt und sich alle langsam etwas zurück ziehen, damit eine Familie entstehen kann und es alle gemütlich und privat haben und ich in meinem Fall auf Wunsch auch noch ein paar wunderschöne Bilder in der Kamera habe ist für mich so ein Geburtserlebnis perfekt und ich gehe glücklich nach Hause. 


Was aber, wenn ein Kreißsaal nach dem anderen schließt, junge Frauen, die sich für den Hebammen Beruf entscheiden wollen, dies aufgrund der politischen Lage sehr genau überlegen müssen, wenn es weder Vor- und Nachsorge, geschweige denn Hausgeburten durch die Hebamme  gibt, da sie davon schlichtweg nicht mehr leben kann, da die Versicherung alles Verdiente auffrisst? Hören Frauen dann auf Kinder zu bekommen?
So abstrus es klingt, aber was ist die Alternative? 

 

 

Ich hoffe, ich habe erläutern können, dass man durchaus in einem Krankenhaus eine wundervolle, selbstbestimmte und sehr persönliche Geburt erleben kann. 

Dies ist aber nur dann möglich, wenn es auch in Zukunft weiterhin die Möglichkeit gibt. Egal für welchen Geburtsort sich eine Frau auch entscheidet...ohne Hebammenhilfe ist dies nicht möglich. Frauen brauchen Hebammen! Und wir Geburtsvorbereiterinnen, Doulas, etc. auch! :-) 

Je mehr darum kämpfen, ihrem Unmut darüber Ausdruck verleihen, desto mehr bleibt zu hoffen, dass es endlich auch dort ankommt, wo es dringend hin muss! 

Herzlichst, 
Silke 

 

 

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